Eine Schule im Schloss

 

„Was spielt sich da oben bloß ab?“ fragten sich die Wiesenburger Dorfbewohner oft. Gemeint war die Internatsschule im Schloss. Beim Kamingespräch am 27.08. konnten einige Mystrien von Hans-Joachim Schmöhl und Horst Herre geklärt werden. Beide waren ehemalige Direktoren der Schule, ersterer von 1963 bis 19991, letzterer bis zur Abwicklung. An diesem Nachmittag schilderte Hans-Joachim Schmöhl die Entwicklung der Internatsschule. Nach dem Krieg wurde die Schule zur Ausbildung von Neulehrern genutzt. Danach wurde ein Antrag zur Einrichtung einer Internatsschule gestellt, um, getreu den Richtlinien des Sozialismus, jedem begabten Kind (besonders Arbeiterkindern) eine umfassende Ausbildung zu ermöglichen. Anfangs gab es noch wenige Schüler, lediglich 13 machten 1950 das erste Abitur. Interessant waren die Verpflegungsmengen, die jedem zur Verfügung standen. So gab es 1950 täglich pro Person 450 g Brot, 30 g Fett, 35 g Zucker und 50 g Fleisch. 1954 erschien die erste Ausgabe der Schulzeitung „Die Brücke“, die im wahrsten Sinne des Wortes eine Brücke zwischen Schülern, Lehrern und Eltern sein sollte.

1956 erhielt die Schule den Namen „Erich Weinert“ – abgekürzt „EWOS“ (was viele fälschlicherweise als erweiterte Oberschule interpretierten) und war durch diesen einfach zu merkenden Namen über die Kreidgrenzen hinaus bekannt geworden. Ab 1952 wurde der erweiterte Russischunterricht eingeführt, 10 Jahre später wurde Wiesenburg zu einer Spezialschule zur Vorbereitung auf das Russischlehrerstudium. Die Schüler kamen aus den sogenannten „R“ Klassen, in denen man bereits ab der 3. Klasse Russischunterricht hatte, nicht wie sonst üblich ab der 5. Wiesenburg konnte sich nach geeigneten Schülern im nördlichen Bereich bis etwa Leipzig nach geeigneten Schülern umsehen, der Schwesterschule in Wickersdorf blieb der südliche Teil der DDR. Es entschieden sich meist Mädchen für diesen Beruf – bei im Schnitt 170 Schülern pro Jahrgang gab es etwa 25 – 30 Jungen. Die hatten natürlich nun die Auswahl in puncto Freundinnen und waren Hahn im Korb. Die Mädchen schauten sich also unter der Dorfjugend um und versuchten, dieser natürlich ihre Ansichten zu vermitteln. Gelang das? „Eigentlich nicht“ so Gisela Zehnsdorf in der späteren Unterhaltung. Aber doch so einige fanden hier den Mann fürs Leben und sind immer noch miteinander verheiratet.

Es gab einen Vertrag mit der Moskauer Spezialschule Nr. 3, der unter anderem auch die Arbeit von Gastlehrern aus Moskau in Wiesenburg beinhaltete. Natürlich fand auch ein Schüleraustausch statt, die 11. Klassen führen für 3 Wochen nach Moskau um Land und Leute kennen zu lernen. Täglich war ein Schüler als Dolmetscher abgestellt für die begleitenden Lehrer, die kein Russisch konnten. Natürlich nahmen die Schüler der EWOS auch an den regelmäßig in der DDR stattfinden Russischolympiaden teil, teilweise mit herausragenden Ergebnissen. Das Internatsleben war typisch für die damalige Zeit. Nach der Schule gab es verschiedene Arbeitsgemeinschaften. Chor und Singeklub waren weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt und waren die „Brücke“ zum Ort, man organisierte sich in DRK und GST, führte in der Polytechnischen Oberschule Pioniernachmittage durch und engagierte sich in der FFW.

Viele Erinnerungen kamen den anwesenden Ehemaligen in den Sinn, nachdem man nach dem Vortrag von Hans-Joachim Schmöhl zu einem lockeren Gespräch fand – aber jeder war der Meinung, dass der Besuch der Schule ein prägendes Erlebnis in seinem Leben war. Auch wenn nicht alle im Anschluss Lehrer wurden, aus der Schule sind Wissenschaftler hervorgegangen und heutige Politiker waren zu Gast– was ein Foto beweist, welches die junge Angela Merkel in Wiesenburg zeigt.