100+1 – Die Freiwillige Feuerwehr Reetz feierte Jubiläum
Die meisten erwarten bei einem Festakt viele offizielle Reden mit teilweise langweiligen Inhalten. Bei der Freiwilligen Feuerwehr war aber einiges anders. Sie feierte am vergangenen Wochenende in der Wiesenburger Kunsthalle ihr 100 jähriges Bestehen. Obwohl eigentlich das 101., denn die bereits für das vergangene Jahr geplante Veranstaltung musste coronabedingt ausfallen. Umso mehr haben sich viele fleißige Helfer gemeinsam mit der Feuerwehr ins Zeug gelegt, um eine tolle Veranstaltung hinzuzaubern. Und das ist ihnen gelungen. Denn es war nicht nur das Jubiläum der Feuerwehr selbst, sondern auch das der Kinder- und Jugendfeuerwehr, die seit immerhin 55 Jahren besteht. Dank der Änderung bei den Corona Regeln konnte nun ausgiebig gefeiert werden.
Wie in vielen anderen Dörfern geht auch in Reetz die Gründung auf einen Brand zurück, bei dem die damalige Technik in Form einer Handdruckspritze nicht in Betrieb gebracht werden konnte. Die Druckhebel waren durch Steckbolzen blockiert, welche in der Eile des Einsatzes nicht entfernt wurden. Denn zur damaligen Zeit ging die Brandbekämpfung noch auf die Reihe, also straßenweise von Haus zu Haus, und die Einwohner wurden nur für eine bestimmte Zeit zur Brandbekämpfung verpflichtet. So brannte das Haus nieder und die Reetzer zogen Konsequenzen, indem sie am 21.02.1921 die Freiwillige Feuerwehr Reetz gründeten. Im Laufe der Jahre haben sich viele engagierte Männer und Frauen um die Feuerwehr verdient gemacht. Besonders zu nennen sind dabei in Vertretung für alle Karl-Heinz Krumm und Ernst Großkopf. Letzterer ist auch die Erklärung für Steffen Teubers Engagement, denn er war sein Großvater. „Als ich 1994 in die Feuerwehr eintrat, hätte ich nie gedacht, einmal in die Fußstapfen meines Opas zu treten und heute hier die Festrede zu halten“, so Teuber gerührt.
Steffen Teuber verpackte Gründung und auch weitere Geschehnisse geschickt in eine Märchenform. Das lockerte die Festrede auf und rief im Publikum den einen oder anderen Lacher hervor. „Dieses Fest ist ein kleiner Lichtblick in dieser herausfordernden Zeit“, so der Ortswehrführer. Dabei war eigentlich die Corona Krise gemeint. Keiner hätte jedoch gedacht, dass die Veranstaltung im Angesicht eines Krieges in Europa stattfinden würde. Deshalb stehe sie umso mehr im Sinne der Kameradschaft, so Teuber. Eine besondere Freude für alle war der Besuch von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Dieser hat damit ein Versprechen eingelöst, welches er den Kameraden 2018 bei den großen Waldbränden bei Treuenbrietzen gegeben hatte. Dabei entstand dies auf eine eher kuriose Weise. Nach bereits 12 stündigem Einsatz im Brandgebiet und die Rückkehr nach Reetz bekam Steffen Teuber einen Anruf der Leistelle, er solle sich noch einmal mit Mann und Maus auf den Weg in den Bereitstellungsraum machen. Ein Missverständnis in der Kommunikation, wie sich dort herausstellte. Denn eigentlich wurden nur Fahrer und Fahrzeug gesucht, die den Ministerpräsidenten und auch die Presse sicher durch das Brandgebiet begleiten sollten. So rang Steffen Teuber dem Minister nicht nur ein gemeinsames Foto, sondern auch das Versprechen ab, beim 100. Geburtstag dabei zu sein. „Und Versprechen muss man halten, besonders in der Politik“ so Dietmar Woidke in seinen Grußworten. Er nutze die Gelegenheit für ein offizielles Danke an alle Feuerwehrfrauen- und Männer. Bei Brandgroßereignissen stehen die Kameradinnen und Kameraden im Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung, dann geht es damit wieder bergab. „Vergessen werden dabei oft die zig tausenden ehrenamtlichen Stunden, die es für Aus-und Weiterbildung braucht“, so Woidke, „darüber wird leider viel zu wenig gesprochen.“ Dabei ist er den Menschen dankbar, die nicht zugelassen haben, dass die Feuerwehren auf den Dörfern einschlafen und zieht so Parallelen zu seinem Heimatdorf. Es sei etwas ganz Besonderes und wichtig für die ganze Gesellschaft, welche die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehren jedoch nicht als selbstverständlich hinnehmen sollten. Denn es gibt auch immer wieder schlimme Ereignisse. Diese hat auch Dietmar Woidke erlebt. Als er über die beiden 2017 auf der Autobahn getöteten Feuerwehrmänner aus Kloster Lehnin spricht, zucken seine Mundwinkel und er muss schlucken.
Auch Wiesenburgs Bürgermeister Marco Beckendorf ist stolz auf die Freiwilligen Feuerwehren der Gemeinde. Die Reetzer gehören zu den größten und haben obendrein eine zahlreichen Nachwuchs. Auch wenn er in Steffen Teuber, der auch Gemeindevertreter ist, einen unbequemen Partner hat. „Er schafft es immer wieder, den Finger in die Wunde zu legen“, so Beckendorf. Was aber zum Ergebnis führte, dass in der Gemeinde sämtlich Wehren in den Dörfern erhalten wurden. Reetz, Reetzerhütten und Reppinichen haben sich zusammengeschlossen, alles anderen arbeiten weiter in ihren Orten. Außerdem hat die Gemeinde die bisher größte Investitionsinitiative im Bereich Feuerwehr angeschoben. Dank auch der Unterstützung und Förderung des Landes konnten neue Fahrzeuge und Ausrüstung beschafft werden, auch wenn noch nicht alles da ist. Außerdem gab es eine Reform der Einsatzgelder. Dann rückte Marco Beckendorf mit seinem besonderen Geschenk heraus. Die Reetzer wünschen sich schon lange eine neue Doppelgarage für ihre Ausrüstung. „Wir haben jetzt die Ausschreibung für die Bauplanung getätigt“, überraschten Marco Beckendorf und Gemeindewehrführer Jens-Uwe Werner die Kameraden. „Oh, schon wieder Weihnachten“, freute sich der Ortswehrführer und erinnert sich dabei an das neue Einsatzfahrzeug, welches auch kurz vor Weihnachten in Reetz eintraf. Zwar gebraucht, aber sehr gut in Schuss. Gemeinsam mit RBB-Wetterreporterin Joanna Jambor wurde es damals geputzt und gewienert. Aber nicht nur neue Technik gibt es in Reetz. Die alte Handdruckspritze aus den 1920er Jahren wurde dank Fördermitteln des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz professionell restauriert. Auf der Feier hatte sie ihren – nach der Probe am Vortag, zweiten- Einsatz. Ganz traditionell wurde sie von Pferden auf den Goetheplatz gezogen und vorbereitet. Kräftig musste gepumpt werden, damit Wasser durch den Schlauch läuft. Aber es kam der berühmte Vorführeffekt zum Tragen – nichts passierte. „Aber gestern hat es funktioniert“, si Steffen Teuber schon fast verzweifelt. Aber letztendlich brachten die Kameraden die alte Spritze zum Laufen und gemeinsam mit dem Minister konnte das imaginäre Feuer gelöscht werden. Was wiederum zeigte, wie schwer es die Feuerwehrleute früher hatten.
Die Veranstaltung wurde natürlich auch genutzt, um Beförderungen auszusprechen und langjährige Mitglieder zu ehren. Dietmar Woidke ließ es sich nicht nehmen, eine Ehrung persönlich vorzunehmen. Helmut Striebing erhielt die Ehrenmedaille für 60 jährige Mitgliedschaft in der Feuerwehr. Gerührt und überwältigt nahm er die Auszeichnung aus den Händen des Ministers entgegen. Auch die Kinder hatten natürlich etwas vorbereitet. Neben einem gemeinsamen Linedance stellten sie Einsatzszenarien spielrisch nach. Für die Gratulationskur hieß es dann, Schlange stehen. Viele befreundete Wehren waren der Einladung gefolgt und hatten Geschenke dabei. Oft waren es Pflanzen für das Gelände. Wie ein Rhododendron vom Kreisfeuerwehrverband. Denn Rhododendron und Kameradschaft haben etwas gemeinsam, sie bedürfen guter Pflege, um alt zu werden. Ein ganz besonderes Geschenk hatte auch Hobbyimker Mario Binte. Nicht nur, dass er als Helfer dabei war und beide Söhne aktive Mitglieder der Feuerwehr sind, er spendete den Erlös jedes fünften verkauften Honigglases für die Feuerwehr. Über den genauen Betrag wurde jedoch Stillschweigen vereinbart. Und wer nun noch nicht genug Emotionen hatte, bekam noch eine tränenreiche geliefert, jedoch waren es diesmal Freudentränen. Denn Steffen Teuber nutze die Gelegenheit und machte seiner langjährigen Lebensgefährtin und Kameradin Dana einen Heiratsantrag.